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Giftige Computer

1990 wurde Gerhard Schröder zum ersten Male zum Ministerpräsidenten in Niedersachsen gewählt. Sein Wahlkampf war geprägt von einem Schlagwort: „Entbürokratisierung“. Was daraus geworden ist, wissen wir: Der Amtsschimmel wiehert mehr als je zuvor. Heute, 30 Jahre später kommt kein Politiker ohne das Wort „Digitalisierung“ aus. Sogar unser nicht mehr ganz junge Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bemängelte kürzlich das Schneckentempo bei dieser zweifellos wichtigen Zukunftsaufgabe.

Wenn es allerdings konkret wird, überholt jede Schnecke noch unsere Verwaltungen.

Wer erinnert sich noch? In der kurzen Zeit zwischen Bleisatz und Computer quälten wir uns einige Jahre mit Offsetfilmen. Mediengestalter hießen Offsetmontierer und die Silberschwärzung der Filme war unser täglich Brot. Der Prozess wurde chemisch mit Entwicklern, Fixierern und anschließender Wässerung in allen Druckereien erledigt. Und natürlich waren Entwickler und Fixierer nicht ganz ungefährlich. Kein Tropfen durfte im Abwasser landen. Klar.

Immer wieder standen von der Stadtverwaltung beauftragte Prüfer unangemeldet auf unserem Hof und vergnügten sich mit Messbechern und Pipetten in unseren Abwasserkanälen. Die Rechnung für diese regelmäßigen Überprüfungen durften wir bezahlen.

2001 haben wir bei BerlinDruck unseren letzten Film entwickelt. Desktop Publishing und Computer to plate waren die neuen Schlagworte. Schluss mit der ganzen Chemie. Aber war auch Schluss mit den teuren Überprüfungen? So schnell mahlen die Amtsmühlen nicht. Da mussten wir schon selbst tätig werden und vielfach darauf hinweisen, dass da eigentlich nichts mehr sein könne. Von Computern hatte die Stadt Achim sogar auch schon gehört.

Aber warum einfach, wenn es auch bürokratisch geht? In der Abwassersatzung der Gemeinde steht, dass die Abwässer von Metzgereien, chemischen Betriebe und Druckereien überprüft werden müssen. Also: Weiter prüfen.

Der freundliche Hinweis auf die nun bei uns ausschließlich aktiven Bits und Bytes aus dem Computer statt der giftigen Entwickler und Fixierer half nichts. Die Korrespondenzakte wurde dicker und dicker. Und eine Abwassersatzung wollte man nicht so einfach ändern. Das kann dauern.

Wahrlich! Heute, 19 Jahre nach unserer letzten Filmentwicklung kommt nach wie vor regelmäßig das Kontroll-Team vom Institut Dr. Nowack und schöpft aus unseren Fäkalien nach DIN 38402-A11: 1995-12: NICHTS.

Rechnung zahlbar sofort ohne jeden Abzug.

Nun könnte man glauben, dass unser 19 Jahre währender Kampf zu nichts geführt hätte. Das ist aber nicht so. Denn eines haben wir im Rahmen der vielfachen Beschwerde-Korrespondenz erreicht. Die Stadt Achim schreibt jetzt die Oskar-Schulze-Straße endlich mit „k“, nachdem wir sie mehrfach auf diesen Fehler in der Anschrift hingewiesen haben.

Geht doch!