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Von der Schulbank zur CEO: Linda Büscher über Lernen, Leadership und Lebensziele

Dieser Artikel ist in unserem Kundenmagazin 28832BERLIN #55 erschienen.

 

Linda Büscher gehört zu den jüngsten Gründerinnen Deutschlands. Mit 17 entwickelte sie die Idee für die Lern-App Bulletpoint, heute führt sie ihr eigenes Unternehmen. Im Gespräch berichtet sie von ihrer Motivation, den Herausforderungen der Gen Z und warum sie trotz Social Media lieber ein echtes Buch in die Hand nimmt.

Linda, warum wird deine Generation, die Gen Z, oft als faul oder unmotiviert gesehen?

Ich denke, das hat viel mit Vorurteilen zu tun. Eltern sehen ihre Kinder oft nur am Handy und schließen daraus, dass sie nichts Produktives tun. Klar, es gibt auch solche Momente, aber das ist ein sehr einseitiger Blick. Social Media kann zwar ablenken, aber viele von uns nutzen es auch fürs Lernen oder die Arbeit. Es ist ein wichtiges Werkzeug, um sich zu vernetzen, Wissen zu teilen und sogar politische Bewegungen zu organisieren.

Ich selbst begrenze meine Zeit dort auf eine Stunde am Tag – allerdings nutze ich es auch beruflich, zum Beispiel für Marketing und den Austausch mit der Community. Gleichzeitig versuche ich bewusst, nicht in die typischen Social Media-Fallen zu tappen. Ich setze mir klare Regeln, wie das Deaktivieren von Benachrichtigungen und das regelmäßige Reflektieren meines Konsumverhaltens. Das hilft, den Fokus zu behalten und Social Media als nützliches, aber nicht dominierendes Tool zu nutzen.

Gibt es für dich einen Unterschied zwischen digitalen Inhalten und Gedrucktem?

Absolut. Ich lese sehr gerne Bücher. Für mich hat das etwas Besonderes, weil ich den physischen Kontakt zum Buch schätze. Es ist ein anderes Erlebnis, etwas Gedrucktes in der Hand zu halten, als auf einen Bildschirm zu starren. Viele aus meinem Umfeld sehen das ähnlich. Gedrucktes bleibt einfach präsenter im Gedächtnis und hat eine andere Wertigkeit, weil man bewusster liest.

Du hast die App Bulletpoint entwickelt. Wie kam es dazu?

In der Schule fand ich es lästig, Texte zu markieren und dann alles nochmal abzuschreiben. Ich dachte: Das muss doch einfacher gehen. Also habe ich mit 17 angefangen, selbst zu programmieren, und später mit Freelancern aus der Ukraine einen Prototyp entwickelt. Bulletpoint hilft, Texte effizienter zu strukturieren. Man markiert wichtige Passagen, und die App verwandelt sie automatisch in Stichpunkte.

Was unterscheidet Bulletpoint von anderen Lern-Apps?

Bulletpoint ist mehr als nur eine Notiz-App. Unsere App optimiert den gesamten Lernprozess, indem sie das Markieren von Texten mit einer intelligenten Strukturierungsfunktion verbindet. Das spart nicht nur Zeit, sondern fördert auch das aktive Auseinandersetzen mit den Inhalten, da man bewusster lesen und markieren muss.
Was Bulletpoint besonders macht, ist der Fokus auf kognitive Unterstützung statt reiner Automatisierung. Im Gegensatz zu vielen KI-basierten Tools, die komplette Zusammenfassungen liefern, wollen wir das Textverständnis aktiv fördern. Bulletpoint hilft Nutzerinnen und Nutzern, das Wesentliche herauszufiltern und in eigenen Worten zu reflektieren. Das unterstützt nachhaltiges Lernen, weil es nicht darum geht, Inhalte passiv aufzunehmen, sondern aktiv zu verarbeiten.

Zusätzlich arbeiten wir an Features wie Karteikarten und Quiz-Funktionen, die den Lernstoff spielerisch festigen. Unser Ziel ist es, eine All-in-One-Lernplattform zu schaffen, die den gesamten Lernprozess abdeckt – von der ersten Lektüre bis zur finalen Prüfungsvorbereitung. Auf diese Art und Weise wird Bulletpoint zu einem echten Begleiter im Alltag von Schülern, Studierenden und allen, die effizient neues Wissen erwerben wollen.

Gab es besondere Herausforderungen in der Gründungsphase?

Definitiv. Ich war das einzige Mädchen im Informatik-Leistungskurs und musste oft beweisen, dass ich Ahnung habe. In der Tech-Branche werde ich manchmal aufgrund meines Alters und Geschlechts unterschätzt. Das ist frustrierend, aber es motiviert mich auch, noch besser zu sein.

Du warst bei „Die Höhle der Löwen“. Wie war das für dich?

Das war eine spannende Erfahrung! Es war mir wichtig zu zeigen, dass Bulletpoint kein 08/15-Produkt ist. Die Löwen waren beeindruckt, wie intuitiv die App funktioniert und wie sie den Lernprozess erleichtert. Ich konnte ihnen live demonstrieren, wie Bulletpoint Markierungen automatisch in strukturierte Stichpunkte umwandelt. Das hat den Unterschied zu herkömmlichen Lernmethoden deutlich gemacht.

Du wurdest in die Forbes 30 under 30 aufgenommen. Wie hast du das erlebt?

Das war ein unglaubliches Gefühl. Ich wusste gar nicht, dass ich nominiert wurde, bis ich die E-Mail bekam. Es ist natürlich eine Ehre, aber es hat meinen Blick auf mich selbst nicht verändert. Es ist eher ein Zeichen dafür, dass das, was ich tue, wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Und es hilft natürlich auch dabei, neue Kontakte zu knüpfen und Bulletpoint bekannter zu machen.

Wie vereinst du Arbeit, Studium und Privatleben?

Das war während der Schulzeit hart: 35 Stunden Unterricht, App-Entwicklung, Nachhilfe geben und ein Nebenjob in einer Zahnklinik. Fast 60 Stunden pro Woche. Heute führe ich Bulletpoint in Vollzeit und studiere BWL nebenbei. Struktur ist der Schlüssel, aber auch Pausen sind wichtig.

Wie siehst du die Rolle von Social Media und KI in der Bildung?

Social Media kann ein starker Lernkanal sein, birgt aber auch Gefahren. Politische Bildung ausschließlich über Social Media zu konsumieren, ist riskant. Algorithmen verstärken oft extreme Inhalte, weil sie darauf ausgelegt sind, Engagement zu maximieren, nicht unbedingt, um ausgewogene Informationen zu liefern. Das kann zu einer verzerrten Wahrnehmung von Fakten führen und Filterblasen verstärken.
Ein weiteres Thema ist der Einfluss von KI in der Bildung. Viele Lernplattformen setzen bereits auf KI, um Inhalte zu personalisieren. Das ist einerseits spannend, weil es den Lernprozess individueller gestalten kann. Andererseits besteht die Gefahr, dass Nutzerinnen und Nutzer sich zu sehr auf automatisierte Zusammenfassungen und Analysen verlassen. Gerade im Bildungsbereich sollte KI ein unterstützendes Werkzeug bleiben und nicht das kritische Denken ersetzen.

Machst du dir Sorgen um solche politischen Entwicklungen, zum Beispiel in den USA?

Ja, absolut. Es ist erschreckend zu beobachten, wie in den USA eine Rückwärtsbewegung stattfindet. Der Einfluss von Tech-Milliardären auf die Politik ist dort teilweise größer als der des Senats. Das ist nicht nur ein Problem für die USA, sondern für die ganze Welt, weil es Gleichberechtigung und Diversität gefährdet. Europa blickt oft nach Amerika, und ich hoffe, wir reflektieren hier stärker, was wir erreicht haben, und schützen diese Errungenschaften. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit.

Was muss sich im Bildungssystem ändern?

Wir müssen lernen zu lernen. Viele wissen nicht, wie sie effektiv Wissen verarbeiten. Aktives Lernen, wie Bulletpoint es unterstützt, hilft dabei. Außerdem sollte das Lehrer-Studium praxisnäher werden. Es reicht nicht, nur Theorien zu pauken, ohne je vor einer Klasse gestanden zu haben.

Und wie sollte sich die Arbeitswelt für die Gen Z verändern?

Flexibilität ist entscheidend. Wir wollen nicht einfach nur von neun bis fünf im Büro sitzen, sondern flexibel arbeiten können, wann und wo wir am produktivsten sind. Außerdem legen wir großen Wert auf eine offene Feedbackkultur und regelmäßigen Austausch. Es geht nicht nur um den Job, sondern auch darum, dass unsere Werte wie Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit im Unternehmen gelebt werden. Transparenz und echte Mitgestaltungsmöglichkeiten sind für uns wichtiger als klassische Hierarchien.

Und was planst du für die Zukunft?

Erstmal möchte ich Bulletpoint weiterentwickeln. Wir arbeiten wie gesagt gerade an neuen Features wie Karteikarten und Quiz-Funktionen. Langfristig könnte ich mir vorstellen, nochmal zu gründen, vielleicht im medizinisch-technischen Bereich. Aber wer weiß das schon? Wichtig ist, dass es Sinn macht und Spaß bringt.

 

Alle Inhalte der neuen Ausgabe unseres Magazins gibt es hier: 28832BERLIN #55. Ein gedrucktes Exemplar schicken wir Ihnen gerne zu – treten Sie mit uns in Kontakt.